Beschlussentwurf
Sehr geehrte Frau Vorsitzende,
das heutige Erscheinungsbild der Niepkuhlen und zugehöriger Landschaftsräume wie bspw. das Naturschutzgebiet Riethbenden, ihr ökologischer Wert und ihr Wert für Erholung und Freizeit sind das Ergebnis einer seit Jahrhunderten in vielen Teilschritten vorgenommenen Veränderung des Wasserhaushaltes im Norden Krefelds und darüberhinausgehend. Ein Element darin war die Zuführung von erheblichen Mengen an Pumpwasser in den letzten Jahrzehnten. Laut öffentlicher Aussage eines früheren leitenden Mitarbeiters des Umweltamtes handelt es sich um „ein Naturschutzgebiet am Tropf“.
In den letzten Jahren war regelmäßig und mit großer Deutlichkeit zu beobachten, dass kontinuierlich bzw. saisonal wiederkehrend der Wasserspiegel auf großen Flächen über mehr oder weniger lange Zeit sehr deut- lich absinkt. Dies führt zu unmittelbaren und massiven Konsequenzen für ökologische Funktionsfähigkeit der Feuchtbiotope, Überleben der Fische und anderer Wassertiere, Vogelwelt, gesamten Landschaftsraum/– bild, Freizeit- und Erholungswert usw. All diese Veränderungen fanden auch bereits deutlich vor dem Ein- stellen der Wasserzuführung durch die LEG statt und weisen auf ein strukturelles und nicht auf ein temporä- res Problem hin.
Es gibt von verschiedener Seite eine Vielzahl einzelner Maßnahmenvorschläge, um ungewollten Verände- rungen entgegen zu wirken. Diese werden teilweise kontrovers diskutiert, sind im Ansatz und in der Tiefe sehr verschieden, in ihrer Machbarkeit, ökologischen Zweckmäßigkeit, Finanzierbarkeit etc. nicht ausgiebig geprüft und bislang auch nicht vergleichend aufbereitet worden. Des Weiteren liegt ein Gutachten von Dr. Strothmann aus 2010 „Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie in dem Niepkuhlenzug“ vor. Ziel des seinerzeitigen Planungsauftrages war es, auf die Ziele der EU-Wasserrahmenrichtlinie ausgerichtete allge- meine Maßnahmenvorschläge auf der Grundlage einer aufgabengerechten hydrologisch-wasserwirt- schaftlichen Bestandsaufnahme zu erarbeiten.
Aktuell bestehen erhebliche Unwägbarkeiten aufgrund absehbarer bzw. denkbarer relevanter Veränderungen wesentlicher Einflussgrößen wie bspw. rückläufige oder jahreszeitlich anders verteilte Niederschläge in Fol- ge von Klimawandel, keine oder anders gesteuerte Zuführung von Pumpwasser, evtl. Umgestaltung des Wasserregimes der LINEG usw. Offen ist, wann, wieviel Wasser, zu welcher Zeit, an welcher Stelle, mit welchen Variationen im Zeitablauf im Naturhaushalt verfügbar ist. Damit sind zahlreiche grundsätzliche Fragen zur künftigen Entwicklung der Feuchtbiotope (Niepkuhlen und angrenzende Lebensräume) und der gesamten Flora und Fauna verbunden: Welche Entwicklungen wird es voraussichtlich geben ohne nennens- werte Intervention, welche Maßnahmen sind denkbar, machbar, zu welchen Kosten, in welchem Zeitraum etc. und welche Wirkungen auf Natur und Landschaft, Schutzgüter, Lebensräume, bedrohte Arten, Freizeit und Erholung usw. haben sie.
Momentan fehlt eine aktuelle, breit angelegte, medienübergreifende Bestandsaufnahme, eine Entwicklungs- prognose unter Berücksichtigung o.g. denkbarer Veränderungen zentraler Einflussgrößen, eine konzeptionell ausgerichtete Maßnahmenentwicklung mit verschiedenen Gestaltungsvarianten und eine vergleichende Be- wertungsmatrix. Eine solche Grundlage mit Varianten ist dringend notwendig für die öffentliche Diskussion und für politische Leitentscheidungen, bevor über Einzelmaßnahmen mit Langfristwirkungen befunden wer- den kann. Allein durch die Verwaltung lässt sich diese Aufgabe in kurzer Zeit nicht erledigen, daher sollte so schnell als möglich externe fachliche Unterstützung (Landesamt für Natur und Umwelt, einschlägige Fach- büros, …) erfolgen.
Da nicht auszuschließen ist, dass bereits im nächsten Sommer niedrige Wasserstände wieder erhebliche Probleme auslösen werden, ist es gleichzeitig notwendig, jetzt vorsorglich Vorbereitungen zu treffen, um im Bedarfsfall kurzfristig dafür zu sorgen, dass Niepkuhlen und angrenzende Lebensräume soweit möglich und finanziell vertretbar vor irreversiblen Veränderungen bewahrt bleiben.
Vor diesem Hintergrund bitten die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen im Rat der Stadt Kre- feld für die Sitzung des Ausschusses für Umwelt, Klima, Nachhaltigkeit und Landwirtschaft am 22.04.2021 zu o. g. Tagesordnungspunkt wie folgt zu beschließen.
Antrag:
I. Der Ausschuss für Umwelt, Klima, Nachhaltigkeit und Landwirtschaft stellt fest, dass
- angesichts der bisherigen und absehbaren Entwicklungen des Wasserhaushaltes im Krefelder Norden und der in den letzten Jahren sehr deutlichen Veränderungen der Niepkuhlen und angrenzender Landschaftsräume dringender grundsätzlicher Handlungsbedarf besteht,
- aus vielen Gründen eine grundlegende und aktuelle Bestandsaufnahme unter Einbeziehung früherer Untersuchungen, eine Entwicklungsprognose und Bewertung aus dem Blickwinkel von Wasserwirt- schaft, Natur- und Landschaftsschutz, Freizeit und Erholung fehlen aber notwendig sind,
- ein Gesamtkonzept für den Landschaftsraum mit systematisch entwickelten Maßnahmenpaketen und verschiedenen Ziel- und Gestaltungsvarianten fehlen,
- für eine öffentliche Diskussion der vielfältigen Aspekte mit allen Interessierten und für fundierte politische Entscheidungen eine solche Grundlage dringend und rasch notwendig ist,
- die Verwaltung angesichts der zeitlichen Dringlichkeit, der Komplexität der fachlichen Aufgabenstellungen und insbesondere wegen knapper eigener Ressourcen durch externe Expertise unterstützt werden soll, um zügig die erforderliche Breite und Tiefe erreichen zu können und eine Übersicht über den voraussichtlichen Bedarf an Haushaltsmitteln in den kommenden Jahren zu erhalten,
- Bestandsaufnahme und die genannten weiteren konzeptionellen Schritte so rechtzeitig abgeschlossen werden sollten, dass
- erforderliche erste Mittel für die Umsetzung rechtzeitig im Haushalt 2022 veranschlagt und
- Förderanträge umgehend gestellt werden können,
7. nach den Erfahrungen der letzten Jahre, für den Übergangszeitraum vorsorglich Maßnahmen vorbereitet und umgesetzt werden sollten, um sicher zu stellen kurzfristig dafür zu sorgen, dass die Niepkuhlen und angrenzende Lebensräume soweit möglich und finanziell vertretbar in ihrer ökologischen Substanz erhalten und insbesondere vor irreversiblen Veränderungen bewahrt bleiben.
II. Der Ausschuss für Umwelt, Klima, Nachhaltigkeit und Landwirtschaft beschließt, die Verwaltung zu beauftragen,
die o.g. genannten Aufgaben mit hoher Priorität anzugehen,
kurzfristig die erforderliche externe Expertise
durch Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Natur und Umwelt, Vergabe eines umfassenden Auftrages mit o.g. Bausteinen und/oder in anderer geeigneter Weise einzuholen,
eine konzeptionelle Grundlage mit Handlungsvarianten und den jeweiligen kurz- und langfristigen Entschei- dungsbedarfen einschließlich der für die Umsetzung jeweils erforderlichen Haushaltsmittel – beginnend mit dem Haushaltsjahr 2022 – zu erstellen,
sofort machbare Maßnahmen zu ergreifen, um für die Übergangszeit bis zur Realisierung der künftigen Kon- zeption die ökologische Substanz zu erhalten und
dem Ausschuss in seiner nächsten Sitzung über das Veranlasste und das weitere Vorgehen schriftlich zu berichten.
Mit freundlichen Grüßen